Der Typ, der da so lässig ins Sandwich beißt, das bin ich. Sehr gut zu erkennen am sexy Haarschnitt. Das war so ungefähr vor einem viertel Jahrhundert. Wir waren im Familienurlaub. Familienurlaub war immer das Beste, ganz besonders, wenn es in die USA ging. Meine Geschwister und ich bekamen ein neues Game Boy Spiel, damit wenigstens 2 Leute im Wohnmobil der Landschaft die Aufmerksamkeit schenken konnten, die sie verdiente. Dann noch das fantastische Fast Food, das es zu Hause eigentlich nie gab. Wir waren im siebten Himmel.
Allerdings wurden wir in unregelmäßigen Abständen immer wieder vor die Tür des Wohnmobils gesetzt, um in den Nationalparks ein paar Meter spazieren zu gehen. Was ich damals vom Wandern hielt? Nicht viel, besonders jetzt, wo ich doch bei „Super Mario Land“ noch nicht annähernd durch war. Vielleicht könnten wir ja noch einen National Park weiterfahren? Es hat nur leider nicht geholfen, denn nur artige Kinder kommen am Ende des Urlaubes mit nach Disneyland.
Einer dieser Stopps, an dem wir aussteigen mussten, war der Grand Canyon und irgendwie hat mich dieses riesengroße Loch im Boden fasziniert. Besonders, als man mir im Visitor Center erzählt hat, dass es vorkommen kann, dass oben am Rand, wo wir waren, noch Schnee liegt, obwohl man unten im Canyon schon kurze Hose tragen konnte. Ich war total fasziniert. Ich wollte ihn sehen, diesen magischen Ort, an dem man wahrscheinlich immer eine kurze Hose tragen konnte.
Weitere Recherchen meinerseits ergaben, dass man mit dem Wohnmobil dort wohl nicht runterkäme. Man müsste Wandern und man bräuchte ein Permit, um in der „Phantom Ranch“ zu übernachten. Wie cool klingt das denn bitte? Phantom Ranch. Leider würde das so kurzfristig nicht mehr klappen. Enttäuscht setzte ich mich wieder an meinen Gameboy, aber erledigt war das Thema für mich noch nicht.
Erst recht nicht, als wir auf unserem Roadtrip im Bryce Canyon ankamen. Es war dort für meine Auffassung ziemlich ähnlich wie im Grand Canyon. Oben war es kalt und wenn man hinuntersah, wirkte es wie eine Wüste. Dann die Überraschung: hier konnten wir wandern gehen. Mom und meine kleinen Brüder würden im Wohnmobil bleiben, während Dad und ich in die Wüste hinab stiegen. Ich glaube, diese Wanderung werde ich nie vergessen, das war unglaublich cool.
Wie cool musste es dann erst im Grand Canyon sein?
Die Frage konnte ich mir 2012 zumindest teilweise beantworten. Wir machten eine Art Revival Familienurlaub (Anmerkung der Redaktion: Liebe Eltern, ich glaube ihr seid uns noch ein Game Boy Spiel schuldig). Disneyland war gestrichen und diesmal musste ich mich benehmen, damit wir in den Grand Canyon fahren. Das war gar nicht so leicht, aber jede Sekunde gutes Benehmen wert gewesen.
Diesmal war ich mit meiner Mom wandern und Dad musste auf die mittlerweile volljährigen Geschwister aufpassen. Wir stiegen vom South Rim hinab, wanderten unten ein wenig rum und auf einem anderen Weg wieder hoch. Leider nicht zum North Rim. Der Umweg, uns da abzuholen, wäre etwas zu weit gewesen.
Um so älter ich wurde, um so cooler wurde auch das Wandern. Vor 2012 hatte ich schon einige, auch längere Wanderrouten in Europa zurückgelegt und 2013 habe ich ein kleines, unter 600 km langes Stück auf dem PCT gemacht. Damals hab ich mich maßlos überschätzt, denn geplant hatte ich eigentlich bis Kennedy Meadows zu wandern, ca. 1000 km.
Wirklich den Hintern hochgekriegt, um einen 6 Monate langen Trip zu machen, habe ich nie. Ich hatte immer zu viel Angst und zu wenig Rücklagen, um meinen Job zu kündigen oder ein Sabbat Jahr zu machen. Zwischenzeitlich rückte das Wandern auch für viele Jahre komplett aus dem Fokus und Lust, darüber zu schreiben, hatte ich irgendwie auch nicht mehr.
Auf ein paar Tagestouren im Frankreich Urlaub musste ich aber daran denken, wie viel Spaß mir Wandern eigentlich macht. War ich in der Zeit davor doch fast nur mit dem Fahrrad unterwegs gewesen. Auf der Suche nach geeigneten Strecken, die ich vielleicht sogar schaffen könnte, ohne meinen Job zu kündigen, stach mir dann der Arizona Trail ins Auge.
Irgendwie übt dieses Riesenloch noch immer eine große Faszination auf mich aus. Genauso wie der amerikanische Südwesten und die Wüstenlandschaften, die es in dieser Form bei uns nicht zu sehen gibt. Die kurze Hose wartet jetzt schon ein paar Wochen im Gepäck auf ihren Einsatz und ich kann es mittlerweile, auch schon nicht mehr abwarten. Obwohl es jetzt noch 15 Tage sind, bis der Flieger endlich startet.